Anne-Frank-Friedenstage
Europäische Schülerinnen und Schüler begegnen Anne Frank

Ein Tagebuch bekennt Farbe

Ein Tagebuch-Selbstversuch

Annes Tagebuch war ihr Freund und Wegbegleiter in ihrem Versteck vor den Nazis. Dem kleinen karierten Büchlein konnte sie alle ihre Geheimnisse anvertrauen. Louise ist eine Teilnehmerin der Anne Frank Friedenstage in Bergen 2013. Sie hat eine Woche lang ein Tagebuch geschrieben und erkennt für sich, was Erinnerung bedeutet.
Aufgezeichnet von Isabel Kurowsky


Tag 1: 17.06.2013

Ich weiß gar nicht, mit welchen Erwartungen ich in dieses Projekt gegangen bin. Ich interessiere mich für das Thema. Weil ich schon verschiedene Austausche mitgemacht habe und mit vielen Kulturen in Kontakt gekommen bin, weiß ich schon, dass man viel Neues lernen kann. Man bekommt immer neue Eindrücke.

Zur Vorbereitung auf die Projekttage haben wir Informationen über Anne Frank von unserer Lehrerin bekommen, also mussten wir nichts groß recherchieren. Eigentlich hätte ich auch gern selbst etwas recherchiert, aber damit war ich wohl allein. Die anderen waren anscheinend ganz zufrieden, nicht noch zusätzliche Hausaufgaben zu haben.

Aber alle, die dabei sind, sind wirklich nett und total hilfsbereit, was mir so richtig aufgefallen ist.

Ein Besuch des KZ Bergen-Belsen stand auch auf dem Programm. Dort bin ich erst letztes Jahr mit 16 zum ersten Mal gewesen. Meine Eltern haben einfach nicht mit mir hin gewollt, als ich noch klein war. Aber da ich alles schon kannte, war es nicht neu für mich. Trotzdem hat es mich noch berührt. Obwohl dort gar nichts mehr erhalten ist von den Baracken oder sonstigen Gebäuden. Wenn man aber die Fotos sieht von diesen toten, nackten und ausgemergelten Menschen, dann stelle ich mir immer vor, dass sie alle einmal ihre eigene Persönlichkeit gehabt haben, und das macht es für mich wirklich furchtbar grausam und bedrückend.

Es ist aber super gewesen, sich mit den anderen zu unterhalten, das hat die Stimmung echt gehoben. Eine Freundin hat mir im Gespräch erzählt, dass sie Plötzlich Prinzessin mag, den Film mit Anne Hathaway. Dabei kam mir so der Gedanke, ob Anne Frank wohl auch gern mal Prinzessin gewesen wäre. Ich weiß, dass der Gedanke eigentlich nicht passt, aber das ist bei mir so hängen geblieben. Alle jungen Mädchen haben doch Träume.

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Tag 2: 18.06.2013

Gleich heute Morgen ging die Projektarbeit los. Wir sollten erst einmal Gedanken zu Fragen aufschreiben: Welche Bedeutung hatte der KZ Besuch für mich? So in der Art.

Als ich das Buch gelesen habe, ist mir zwar aufgefallen, dass die Menschen im Versteck versucht haben, Normalität zu wahren. Dass das in der Gefangenschaft natürlich nicht so ganz möglich ist, ist verständlich. Aber müsste ich mich jetzt aus irgendwelchen Gründen verstecken, würde ich auf jeden Fall auch versuchen, mein Leben normal weiter zu führen. Etwas Anderes wäre auch nicht möglich, ohne sich irgendwie selbst aufzugeben.

Die Gruppen wurden dann durch Abzählen zu siebt ausgewählt. Ich bin nun mit noch zwei polnischen Jungs in einer Gruppe. Das fand ich nicht schlimm, weil mich der Austausch mit Menschen aus anderen Ländern immer schon interessiert. Und die Kommunikation klappt auch ganz gut.

Wir hatten dann Themen, die uns interessierten, und zu denen wir dann durch Brainstorming Ideen zu Annes Gedanken gesammelt haben. Ich fand besonders Annes Beziehung zu ihrer Mutter interessant. Sie schreibt auch im Tagebuch, dass sie ihre Mutter nicht leiden kann, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Ich habe zwar auch ein engeres Verhältnis zu meinem Vater, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man seine Mutter hasst. Man hat ja schon ab und zu mal Streit mit seiner Mutter, wenn sie einen kritisiert, dass man zu viel unterwegs ist zum Beispiel. Aber das macht sie doch alles aus Liebe zu mir. Die Verbindung zwischen Mutter und Kind ist eigentlich immer sehr stark.

Sonst war da noch ein Zitat, das mich nachdenklich gemacht hat. Ich weiß seinen Wortlaut nicht mehr genau, aber etwas wie: Es wird der Tag kommen, an dem Juden wieder wie Menschen behandelt werden.

Im Endeffekt wählten wir Hoffnung als Thema. Auf Skizzen hielten wir unsere Ideen fest. Wir wollen Anne und Peter malen, wie sie aus dem Fenster auf die Kastanie schauen, die sich Anne immer gern angesehen hat. Dazu sollen noch ein Eiffelturm, Zeichen für Religionen, eine Familie und ein Buch zu sehen sein. Der Eiffelturm steht dafür, dass Anne so gern nach Paris reisen wollte. Die Religionen sollen eigentlich vereint dargestellt werden. Dafür gibt es irgendein Symbol, an das ich mich aber einfach nicht erinnern kann. Die Familie steht für Annes Traum, auch einmal eine Familie zu haben. Und das Buch für ihren veröffentlichten Roman über das Leben im Hinterhaus. Also alle ihre Träume.

Würde ich jetzt aus dem Fenster blicken, würde ich ganz Ähnliches sehen. Auch so etwas wie einen Eiffelturm, also ich möchte auch viel Reisen. Bei mir wäre auch eine Familie zu sehen, aber auch ein erfolgreicher Beruf, wie Jurist oder Eventmanager. Und bei mir muss auf jeden Fall dieser Gedanke von Frieden dargestellt sein.

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Tag 3: 19.06.2013

Heute hatten wir den gesamten Tag Zeit für unsere Collagen. Zuerst wurde eine Grundierung mit Rollen aufgetragen. Für die Wand um das Fenster herum, bekamen wir die Möglichkeit, eine tolle Technik zu versuchen, bei der die bemalte Fläche Bronze wird. Dafür musste erst einmal eine Farbe mit vermutlich metallischem Inhalt aufgetragen und dann eine Säure darüber gemalt werden. Das ist dann echt Bronze geworden! Unglaublich cool!

Ich hab mir dann meine Klamotten extra falschrum angezogen, damit sie nicht dreckig werden. Hatte zum Schluss auch nur einen schwarzen Fleck am Bein und silberne Farbe auf den Füßen, von der ich nicht weiß, wie sie dorthin gekommen ist. Wir hatten zwar Pinsel zur Verfügung, aber schlussendlich tupfte ich die Wolken mit einer Socke über der Hand, weil das einfacher ging. Wir haben auch versucht, etwas Struktur hinein zu bekommen, damit es etwas mehr nach 3D aussieht.

Am Ende war dann die Wand innen dunkel und der Himmel eben hell. Das soll versinnbildlichen, dass draußen die freie Welt ist. So ähnlich geht es mir in manchen Situationen auch, wenn man zum Beispiel den ganzen Tag in der Schule sitzt, wenn draußen die Sonne scheint. Während des Prozesses gab die Künstlerin Tipps. Nur waren die nicht so ganz hilfreich, weil wir es schon so machen wollten, wie wir uns das dachten. Kunst ist Kunst und die kann jeder für sich gestalten. Wir haben es einfach so gemacht, wie es für uns am besten verständlich ist.

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Tag 4: 20.06.2013

Waren heute in Hamburg. Hab keine Zeit zum Schreiben. Aber es war echt super!

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Tag 5: 21.06.2013

Um 9 Uhr waren wir schon wieder im Stadthaus und fingen an, die Vernissage unserer Collagen vorzubereiten. Ich bin vor allem gespannt, ob überhaupt jemand kommt, um sich die Bilder anzusehen. Ich weiß noch nicht, ob ich mich traue, auch mal jemanden dann zu fragen, was er oder sie von unserem Bild hält. Mich würde es vor allem freuen, wenn die Besucher irgendetwas von unseren Ideen lernen können.

Im Endeffekt hab ich die Collage doch ganz gut hinbekommen, obwohl ich nicht so gut zeichnen kann. Aber die polnischen Jungs haben so viele gute Ideen gehabt. Am Ende haben wir dann anstatt Peter und Anne, doch nur Anne gemalt, weil es ja eigentlich nur ihre Träume sind, die wir dargestellt haben. Als wir die Wolken gemalt haben und die Strukturen, die es mehr räumlich wirken lassen, ist mir erst der Gedanke gekommen, dass Wolken ja auch für Freiheit und Veränderlichkeit stehen und das hat halt super zum Thema gepasst.

Aber cool war es, dass wir die Collagen jetzt doch viel umständlicher gestalten konnten. Am Anfang dachte ich, dass wir einfach nur malen, aber durch die vielen Gestaltungsmittel, sind doch die Themen viel eindrucksvoller. Vor allem die Bilder über Angst und Sinnlosigkeit von Krieg haben bei mir Eindruck gemacht. Die Angst kommt auf dem einen Gemälde echt gut rüber. So krass ist mir Annes Angst im Buch gar nicht bewusst geworden. Und andere Themen sind eben echt gut künstlerisch umgesetzt.

Viele Ideen und Tipps der Künstlerin haben wir dann doch nicht umgesetzt. Ich denke, so wie es jetzt ist, kommt die Aussage, die wir vermitteln wollen, einfach am besten rüber. Kunst ist für jeden anders zu interpretieren und ich bin mit dem Ergebnis super zufrieden.

Vor allem der Kulturkontakt in den letzten Tagen hat mir auch viel Spaß gemacht. Obwohl ich nicht dachte, dass wir so viel Zeit haben würden, mit den anderen Schülern zu reden. Ich dachte wir arbeiten die ganze Zeit nur. Dafür hatten wir eine tolle Zeit. Ich finde es auch sehr wichtig, dass dieser Austausch mit anderen Ländern bei solchen Themen wie Holocaust und Zweiter Weltkrieg stattfindet. Die Schrecklichkeit dieser Ereignisse bleibtnur im Gedächtnis, wenn man sich erinnert und sich damit beschäftigt.

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