Anne-Frank-Friedenstage
Europäische Schülerinnen und Schüler begegnen Anne Frank

”Überall auf der Welt Freunde finden”

5 Länder- ein Ziel

Während der Anne Frank Friedenstage in Bergen kommen Jahr für Jahr Jugendliche zusammen und setzten sich kreativ mit der Deutschen Geschichte während des Zweiten Weltkrieges auseinander. Aber sind die Friedenstage auch mehr als 60 Jahre danach wirklich noch sinnvoll oder nur ein Projekt, um neue Leute kennen zu lernen und Spaß zu haben?

Von Maria Schrammen

AufmacherInterview_bearbeitet

Herr Griffith, Sie sind Lehrer aus Wales, wieso ist Ihnen Anne Frank heute noch so wichtig?

Justin Griffiths: Das Tagebuch nimmt ein großes, tragisches Ereignis und macht es sehr klein. Oft denkt man an die großen Zahlen der Opfer, die während des Nationalsozialismus starben. Dabei vergisst man jedoch schnell, dass dahinter viele einzelne Menschen stehen; mit Gefühlen, Familien und einem individuellen Schicksal. Es ist wichtig, dass die Schüler das Ausmaß dieser Taten verstehen. Dabei hilft es ihnen über die Gefühle eines einzelnen Menschen zu lesen, der so schreckliche Dinge erleben musste. Sie sollen es nicht mehr vergessen.

Warum ist es so wichtig, dieses Thema nicht zu vergessen?

DSC_0058 Justin Griffiths, Kunstlehrer aus Wales (United Kingdom)

Justin Griffiths: Die Ideologie hinter dem Holocaust verschwindet nicht einfach. Es ist wichtig, sich mit der Geschichte zu befassen und aus dieser zu lernen. So etwas darf nicht noch einmal passieren. Wenn sich jeder dessen bewusst wird und sich mit dem Thema auseinandersetzt, ist es nicht so wahrscheinlich, dass nationalsozialistische Gedanken, in welcher Form auch immer, wieder in Erscheinung treten.

”Gelegenheiten nutzen”

Halten Sie die Friedenstage für sinnvoll?

Renate Berg: Auf jeden Fall, gerade weil Anne Frank leider nicht mehr zu den Schwerpunkten gehört, mit denen man sich im Unterricht auseinander setzt.

Justin Griffiths: Ich denke es ist sehr wichtig, dass Schüler sich nicht nur wegen Anne Frank treffen, sondern auch die Gelegenheit nutzen, Menschen aus anderen Ländern kennen zu lernen. Sie sammeln dadurch wertvolle Erfahrungen.

In den letzten Jahren ist der Kontakt zwischen den Schülern jedoch nach ein paar Wochen wieder eingeschlafen.

Renate Berg: Ich weiß nur, dass es viele Schüler trotzdem schaffen, vor allem durch facebook, sich doch noch regelmäßig zu unterhalten. Wenn das dennoch im Sand verläuft liegt es an Interessen, die vielleicht doch zu verschieden sind.

Warum betreuen Sie dennoch Jahr für Jahr die Friedenstage?

Renate Berg: Obwohl ich Englisch und Sport unterrichte, interessiere ich mich sehr für den Nationalsozialismus. In diesem Zusammenhang finde ich es auch wichtig, Anne Frank in den Mittelpunkt zu stellen. Außerdem gefällt mir das Zusammenkommen von Leuten aus verschiedenen Ländern. Das war immer toll!

Neben den Schülern aus Deutschland und Wales kommen die anderen Teilnehmer aus Polen, den Niederlanden und der Tschechei.

Wie sieht es mit der Völkerverständigung eigentlich bei den Lehrern aus?

Justin Griffiths: Natürlich verstehen wir uns auf professioneller Ebene gut, da die gleichen Interessen vorhanden sind, wir uns aber auch über unsere Probleme in der Schule austauschen können.

Wir verstehen uns aber persönlich untereinander auch alle sehr gut. Alle hier sind interessant und lustig.

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Wie erleben Sie die Schüler?

Justin Griffiths: Es gab zwar ein paar unterschiedliche Geschmäcker über Mode oder Musik, aber die Gemeinsamkeiten überwiegen deutlich. Das sehen auch die Schüler. Sie haben dieselben Hoffnungen, aber auch dieselben Ängste. Sie sind alle sehr aufgeschlossen, wollen reisen, andere Menschen treffen, ein glückliches Leben führen. Man kann überall auf der Welt Freude finden.

”Immer etwas neues dazulernen”

Sie sprechen von Spaß. Aber sie haben auch das Konzentrationslager Bergen-Belse besucht.

Wie sind die Jugendlichen damit umgegangen?

Justin Griffiths: Die Schüler waren größtenteils über das Ausmaß der Judenverfolgung geschockt. Es hat auch mich sehr nachdenklich gemacht. Das war das erste Mal, dass ich in einem Konzentrationslager war und es hat mir sehr geholfen die Situation zu verstehen, in der sich die Gefangenen befanden. Erstaunlicherweise war es eine sehr schöne Gegend und man wurde sanft an das Thema herangeführt, ohne von den Eindrücken erschlagen zu werden.

Renate Berg: Obwohl ich schon mehr als fünfzehn Mal dieses Konzentrationslager besichtigt habe, lerne ich immer wieder etwas Neues dazu. Dieses Mal war die Präsentation des Leiters besonders gut und sehr informativ.

Gab es sonst noch weiter Unterschiede zu den letzten Jahren?

Renate Berg: Ich bin wie immer total begeistert. Anfangs war ich jedoch etwas skeptisch, als ich hörte, dass Schüler in kleinen Gruppen selbständig Kunstwerke herstellen sollen.

”Ergebnisse sind jetzt schon umwerfend”

Warum waren Sie skeptisch?

Renate Berg: Die Schüler mussten einige Schwierigkeiten überwinden. Die zu bearbeitenden Formate waren sehr groß. Außerdem ist es nicht immer einfach sich in einer Gruppe von vier oder fünf Schülern einig zu werden.

Aber die Ergebnisse sind jetzt schon umwerfend!

Herr Griffiths, was ist das Fazit zu Ihren ersten Anne Frank Friedenstagen 2013?


Justin Griffiths: Obwohl es um ein ernsthaftes Thema ging, hat es Spaß gemacht Schüler und Lehrer aus anderen Ländern zu treffen. Wir haben viel gelernt.

Man wurde sehr gut in die Materie eingeführt. Das war grade für uns wichtig, da wir noch nicht genau wussten, was auf uns zukommt. Ich hoffe, dass sich auch unsere Schule der Wichtigkeit dieses Projekts und der Verbindungen, die dadurch entstehen, bewusst wird. In zwei Jahren würden wir nämlich wirklich gerne wieder hier herkommen.

Frau Berg, glauben Sie denn, dass es den Deutschen noch was bringt, obwohl die das Thema doch eigentlich kennen?

Renate Berg: Auf jeden Fall! In Deutschland beschäftigt man sich nicht zuletzt wegen des kollektiven schlechten Gewissens intensiv mit diesem Thema. Ich sehe es als Aufgabe der älteren Generation die jetzige über das Geschehene zu informieren. Sie sollen schließlich nicht denken ”Das ist nicht unser Ding, wir haben damit nichts zu tun”.

Klicken Sie durch die Bildergalerie, für ein Interview ohne Worte!


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